Zum ersten Mal gab es bei der Jagsttal-Wiesen-Wanderung 2016 eine Station mit Fairtrade-Produkten und einer Ausstellung zum regionalen und fairen Handel.
Es gab eine Faire Vespertüte mit einer stärkenden Banane, einem leckeren Schoko- oder Fruchtriegel und einem fruchtigen Orangensaft - alles natürlich fair produziert und gehandelt.
Ausstellung regioFAIRglobal
Die Ausstellung wurde bei der Jagsttal-Wiesen-Wanderung gezeigt, anschließend konnte man sie zwei Wochen lang in der Bächlinger Kirche ansehen.
Aus einem Vortrag zur Ausstellung, von Friederike Enßle:
regioFAIRglobal – Kernthema der Ausstellung ist eine für uns alltägliche Handlung: das Einkaufen und Beziehen von Waren.
Das Wie des Einkaufens steht im Mittelpunkt: RegioFAIRglobal eben.
Was bedeuten diese drei Schlagworte und was haben sie miteinander zu tun?
Als erstes Wort steht regio am Anfang des Titels.
Regio oder Regional deutet darauf hin, dass die Waren aus unserer Gegend, unserer Region kommen. Produkte aus direktem Umkreis haben den Vorteil, dass die Transportwege kurz sind und die Nahrungsmittel praktisch direkt vom Baum oder Feld frisch auf den Teller kommen. Neben der Frische der Waren schont ein kurzer Transportweg die Umwelt. Weniger Kilometer bedeuten auch weniger Co² - Ausstoß und insgesamt weniger Lastwagen auf den Straßen.
Durch die regionale Lage kann man Höfe, Felder und Streuobstwiesen am Ort mit eigenen Augen sehen und dabei lernen, wo das herkommt, was man isst.
Wer gern Produkte aus seinem Umland konsumiert, weiß auch besser über die regionalen Erntezeiten Bescheid. Es wird sicher manche Menschen erstaunen, dass Tomaten und Gurken hier im Winter eigentlich nicht auf dem Speiseplan stehen. Ebenso haben sicher einige Menschen aus der Region noch nie von Pastinaken, Schwarzwurzeln oder Seitlingen gehört. Dabei ist der regionale Speiseplan vielfältig und fördert nebenbei die Kreativität beim Kochen.
Gerade für Kinder ist es total spannend zu sehen, was eigentlich wann wächst und dass Bananen und Kakao in Baden – Württemberg eigentlich nie Saison haben.
Trotzdem können wir zu jeder Jahreszeit Bananen, Schokolade oder Kaffee kaufen.
Damit wir mit auch gutem Gefühl Bananenchips und Dunkle Vollnuss - Schokolade genießen können, sollte eben auch die Herstellungsweise Fair sein. Das führt uns zum zweiten Begriff im Titel der Ausstellung. Der Faire Handel hat sich gerade nicht die Suche nach dem billigsten Preis als Wahlkriterium für die Herstellung gesetzt. Das Fair – Trade Siegel bemüht sich Regeln zu setzen, nach denen den Produzentinnen und Produzenten ein Fairer Lohn gezahlt wird, und nach denen bei der Produktion soziale Mindeststandards eingehalten werden.
Ebenso wird Wert auf eine umweltschonende Herstellung gelegt. Denn der Einsatz von Pestiziden und chemischen Düngemitteln trifft zu allererst die Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind. Und schließlich alle, die das kontaminierte Wasser als Trinkwasser verwenden müssen.
Im wirtschaftlichen Bereich bieten Initiativen des Fairen Handels Schulungen über Anbaumethoden an und fördern so die Weitergabe von Wissen, etwa im Qualitätsmanagement. Die Anforderungen des Exportmarktes an die Qualität der Waren sind für Kleinbauern im globalen Süden teilweise neu. Mit eben solchen Schulungen werden für die Produzierenden Möglichkeiten eröffnet, um besser auf dem Markt bestehen zu können. All diese Dinge sind wichtig und zeigen bereits an vielen Stellen Erfolge.
Aber was haben regionale und Faire Produkte nun miteinander zu tun?
Hier kommt das Wort global ins Spiel. Wir sind es so sehr gewohnt, jeden Tag Produkte aus den verschiedensten Ländern der Welt zu konsumieren, ja global zu konsumieren, und das als ganz natürlich anzusehen. Kaffee, Tee, Pfeffer und Kakao sind von unserem Speiseplan nicht mehr wegzudenken. Dass der Fernhandel an den Stellen einspringt, an denen der regionale nicht ausreicht oder das Produkt nicht bereitstellen kann, das war schon vor Zeiten des internationalen Flugverkehrs und des Internet der Fall.
Die Ausstellung zeigt im Hinblick auf globale Verflechtungen, dass etwa bei Honig der Bedarf mit heimischen Erzeugnissen nicht gedeckt werden kann. Nur 30% des in Baden – Württemberg verkauften Honigs kann auch hier produziert werden. 70% des Bedarfs muss durch Importe gedeckt werden.
Hier ist fairer Honig eine gute Alternative. In den Produktionsländern trägt gerade er als Exportgut zur Entwicklung strukturschwacher Regionen bei. Für einen Bienenstock und ein Bienenvolk wird nur recht wenig Kapital und kaum eigener Landbesitz benötigt.
Zunehmend sind die Produkte mit langem Anreiseweg billiger als regionale Alternativen. Sie füllen also im Einkaufswagen nicht unbedingt eine Lücke, sondern sind einfach günstiger. Kann das für die Landwirtschaft hier, für die LW im globalen Süden und für die Umwelt fair sein?
Unsere Essgewohnheiten haben sich geändert. Es ist schön, dass viele von uns die eigentlich sehr exklusiven Güter wie Wein aus Chile oder Currymischungen aus Indien täglich konsumieren dürfen. Wenn wir uns diesen Luxus leisten, dann sollten wir ihn auch als solchen begreifen und darauf achten, dass niemand darunter zu leiden hat. Das bedeutet, dass wir die Waren auf eine Faire Art und Weise beziehen.
Es gibt neben den globalen Handelsverflechtungen noch einen weiteren Punkt, der regionale und faire Produkte in Beziehung zueinander setzt.
Beide haben das Potential, die Entfremdung zwischen Herstellung und verkaufsfertigem Produkt zu verringern; wieder eine engere Beziehung zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen zu schaffen. Es geht auch darum, ins Bewusstsein zu rufen, welchen Preis eine Ware im Ganzen fordert und wer den Preis bezahlt.
Die oft beschriebenen negativen Auswirkungen der Globalisierung (Ausbeutung, Umweltverschmutzung, Zwangsarbeit etc.) haben damit zu tun, dass wir es nicht merken oder spüren, wenn wir mit unserem Kaufverhalten Menschen oder die Umwelt auf der anderen Seite der Erde schädigen. Stellen wir uns einmal vor:
Wenn nun etwa die Textilfabriken aus Bangladesch in den Wiesen im Jagst- oder Kochertal liegen würden und wir jeden Tag den Geruch der Chemikalien riechen und Berge von Stoffresten im Fluß schwimmen sehen würden, dann wäre ein Aufschrei unserer Gesellschaft gegen diese Produktionsbedingungen vorprogrammiert.
Ein ähnliches Szenario kann man sich ausmalen, wenn unser Kaffee an den Hängen des Jagst- und Kochertals angebaut würde und wir tagtäglich im Vorbeigehen Kinder schuften sehen würden.
Wer würde diesen Kaffee gerne trinken? Wer würde die Textilerzeugnisse aus dieser Fabrik gerne kaufen?
Aber wir bekommen nur das schicke Shirt in einem glitzernden, sauberen Modeladen oder den „erlesenen Aromakaffee“ im Supermarkt zu sehen. Woher die Produkte kommen und welche Auswirkungen ihre Herstellung hat, das wird uns beim Einkauf nicht ins Bewusstsein gerufen. Wir als Konsumierende haben mit den Menschen, die unsere alltäglichen Gebrauchswaren herstellen rein gar nichts zu tun.
Regionale und Faire Produkte versuchen hier einen anderen Weg zu gehen. Bei Waren aus der Region können wir durch die räumliche Nähe nachvollziehen wie produziert wird.
Wir können an Streuobstwiesen oder durch Weinberge spazieren gehen. Schulklassen besuchen landwirtschaftliche Betriebe; lernen und sehen woher Lebensmittel kommen.
Wir kennen Menschen, die in regionalen Betrieben arbeiten. Das schafft Vertrauen in die Herstellung und kann uns direkte Einblicke in die Produktion verschaffen. Weitreichende Verfehlungen gegen Umwelt – und Arbeitsstandards würden hier also für uns sichtbar und könnten öffentlich thematisiert werden.
Beim Fairen Handel soll etwas Ähnliches erreicht werden, auch wenn die Herstellungsorte weit weg sind. Bei der Zusammenarbeit mit Kooperativen und Kleinbauern – Verbänden wird Wert darauf gelegt, dass neben einer Handelsbeziehung auch eine persönliche Beziehung geschaffen wird. Man muss sich kennen, denn letztlich basiert das Einhalten der Fair – Trade Standards nicht nur auf Kontrolle, sondern auch auf Vertrauen.
Ganz aktuell steht der Faire Handel gerade deshalb immer wieder in der Kritik. Mangelnde Einhaltung der Standards und zu wenige Kontrollen werden angeführt.
Die großen Zertifizierungsfirmen arbeiten zunehmend mit großen Plantagen zusammen, was mit der großen Nachfrage nach sehr preiswerten aber trotzdem fairen Produkten von Discountern wie Lidl oder Kaufland zusammenhängt. Auf großen Plantagen sind aber die Arbeitsverhältnisse insbesondere mit Saisonarbeitern nur schlecht zu durchschauen. Es wird für die Zertifizierungsfirmen zu einer immer anspruchsvolleren Aufgabe, klare Aussagen über den echten „Fairgehalt“ eines Produkts zu treffen.
So wichtig es ist, Schwachstellen des Fairen Handels anzusprechen, so schade ist es allerdings, dass in der Kritik kaum differenziert wird.
Wie auch bei regionalen Produkten sollte es bei Fairen Produkten darum gehen, zu wissen, woher und von wem die Waren kommen. Wenn, wie bei 100-Prozent-Fair-Händlern und kleinen Fair Handels Initiativen und Verbänden, die Beziehung zwischen Produzierenden und Abnehmern persönlich ist, dann kommt es seltener zu Unterbezahlung und ungerechten Strukturen.
Insgesamt wird also deutlich, dass sich Produkte aus Fairem Handel und regionale Produkte ergänzen, wenn die regionale Produktion nicht genügend bereitstellen kann oder der Kaffee bei uns eben einfach nicht gut wachsen will. Beide Ansätze, regional und fair, sind außerdem ein Weg, die Herstellung der Waren und die Käufer der Waren näher zusammenzubringen.
Das Thema regioFAIRglobal wirft viele Fragen auf. Fragen nach unserem Konsumverhalten und unserer Ethik: Was möchte ich mit meinem Geld und durch meinen Einkauf unterstützen? Was ist mir bei meinem Einkauf wichtig? Was kann ich mit meinem Gewissen vereinbaren und wo sage ich mir auch einmal:
„Ich kann nicht verantworten, dass Dinge unter solchen Bedingungen hergestellt werden. Ich möchte so etwas nicht kaufen.“
Vielleicht kann die Ausstellung für Sie Anlass sein, sich solche Fragen zu stellen und diese für sich ganz persönlich zu beantworten. Sie werden an den Beispielen Honig, Wein, Äpfel, Milch, Kakao, Bananen und Kaffee sehen, was regioFAIRglobal prinzipiell bedeuten kann.